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Ihr Weg zum Recht

Kroatisches Erbrecht, Kroatisches Familienrecht und internationales Privatrecht

Recht Verständlich

An dieser Stelle möchten wir Ihnen einen kleinen Einblick in rechtliche Fragestellungen geben, die in unserer täglichen Arbeit immer wieder eine Rolle spielen und viele Mandanten unserer Kanzlei beschäftigen.

Mittlerweile nähert sich die erste Generation der sogenannten Gastarbeiter aus den Fünfziger und Sechziger Jahren einem Alter, in dem die Konfrontation mit dem eigenen Tod zunehmend Raum einnimmt. Zwangsläufig stellt sich auch die Frage, was mit den eigenen Nachlass passieren soll. Kompliziert wird die Sache dann, wenn sich der Nachlass in zwei Ländern befindet: in der Bundesrepublik Deutschland und in dem Herkunftsland. In dieser Situation befinden sich auch viele Bürger der Republik Kroatien, die in der Bundesrepublik Deutschland leben. Mit Blick auf das deutsche Erbrecht gibt es viele Beratungsmöglichkeiten, wir möchten ergänzend auch einen kurzen Überblick über wesentliche Aspekte des kroatischen Erbrechts geben. Bei weiteren Fragen können Sie selbstverständlich gerne auf uns zurückkommen.

Grundsätzlich sieht das deutsche Internationale Privatrecht für Fragen des Erbrechts vor, dass bei der Rechtsnachfolge von Todes wegen, dasjenige Recht Anwendung findet, dem der Erblasser im Zeitpunkt des Todes angehört (Art. 25 Abs. 1 EGBGB). Dass bedeutet für einen in Deutschland lebenden kroatischen Staatsbürger die Anwendung des kroatischen Erbgesetzes (Zakon o nasljeđivanju – ZN) und nicht des deutschen Erbrechts nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (Vgl. §§ 1922 ff. BGB). Allerdings kann der Erblasser für sein unbewegliches Vermögen in Deutschland (z.B. Haus, Grundstück, Eigentumswohnung) deutsches Recht wählen (Art. 25 Abs. 2 EGBGB), was in der Praxis jedoch kaum genutzt wird.

Nach dem kroatischen Erbrecht gibt es Erben ersten, zweiten, dritten und vierten Ranges. Mit dieser Rangordnung kommt zum Ausdruck, wer in welchen Familienkonstellationen zum Erben wird. Erben ersten Ranges sind die Nachkommen des Erblassers und dessen Ehepartner. Erben zweiten Ranges sind die Eltern des Erblassers und dessen Ehepartner, wenn er keine Nachkommen hinterlässt. In den beiden ersten Rängen wird davon ausgegangen, dass der Ehepartner die Hälfte des Nachlasses erhält. Wenn der Erblasser keine Nachkommen hat und beide Elternteile des Erblassers vor dessen Tod verstorben sind, erhält der Ehepartner den gesamten Nachlass (§ 11 ZN). Im Übrigen können auch die Geschwister des Erblassers einen Teil des Nachlasses bekommen, wenn der Erblasser keinen Ehepartner hinlässt und seine beiden Elternteile vor ihm verstorben sind. Der dritte und der vierte Rang der Erbes kommen zum Zug, wenn der Erblasser weder Nachfahren, noch einen Ehepartner, noch Eltern hinterlässt und auch diese keinerlei Nachkommen hinterlassen.

Eine sehr interessante und wichtige Konstellation entsteht, wenn der Erblasser in einer nichtehelichen Gemeinschaft gelebt hat. Es kommt nämlich oft vor, dass der Erblasser einen längeren Zeitraum mit einem Partner zusammengelebt hat, ohne dass dieses Zusammenleben eine rechtliche Verfestigung im Wege der Ehe gefunden hat. Obwohl es die Erben des ersten Ranges, vor allem die Kinder, oftmals nicht wahrhaben können, so erhält doch der Partner des Erblassers ein Erbrecht und wird auch vor dem Gesetz wie ein Erbe ersten Ranges eingestuft, also wie ein Ehepartner.

Eine wesentliche Veränderung des im Jahre 2003 geänderten kroatischen Erbrechts ist die Gleichberechtigung aller natürlichen Personen beim Eintritt des Erbfalles besteht, d.h. die Gleichberechtigung des ehelichen wie des nichtehelichen Lebenspartners sowie der daraus hervorgegangenen Nachkommen. Darüber hinaus hat der nichteheliche Lebenspartner auch einen Anspruch auf einen Teil des in der Lebensgemeinschaft erwirtschafteten Vermögens vergleichbar dem ehelichen Zugewinn (bračna stečevina).

Die gesetzliche Erbfolge kommt jedoch nur zum Zug, soweit kein Testament (oporuka) des Erblassers besteht. Wie auch im deutschen Erbrecht stellt das Testament eine besondere Grundlage für die Verteilung des Erbes dar und ist Ausdruck des letzten Willens, mit dem der Erblasser über seinen Nachlass von Todes wegen verfügt. Es ist daher an bestimmte formale Voraussetzungen gebunden, die für dessen Wirksamkeit erfüllt sein müssen. Das kroatische Erbrecht kennt verschiedene Formen des Testaments, die sich im Wesentlichen nach öffentlich und privat unterteilen lassen. Das private Testament hat der Erblasser persönlich und ohne die Gegenwart staatlich-öffentlicher Stellen verfasst. Es kann eigenhändig und schriftlich, aber auch mündlich vor Zeugen erfolgen. Das öffentliche Testament kann ein gerichtliches, also ein vor einem Richter erfolgtes, oder ein diplomatisches, also ein im Ausland vor einer kroatischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung erfolgtes Testament sein. Es gibt noch weitere Formen des öffentlichen Testaments, wie z.B. das Armeetestament, das Schiffstestament oder das Internationale Testament. Die Grundform des Testaments nach dem kroatischen Erbrecht ist jedoch weiterhin das schriftliche Testament, das im Wesentlichen nicht allzu schwer zu verfassen ist. Der Erblasser muss zentral bestimmen, welche Person welchen Teil seines Nachlasses erhält.

Im Gegensatz zum deutschen Erbrecht ist die Erbauseinandersetzung in der Republik Kroatien vor dem öffentlich bestellten Notar (javni bilježnik) zu führen. Dieser bestimmt die Ladung zur Erbauseinandersetzung. Besonders wichtig ist dabei, falls der Erblasser in Kroatien verstorben ist, dass sich die Erben vor dem zuständigen Amtsgericht darüber informieren, welcher öffentlich bestellte Notar für die Erbauseinandersetzung zuständig ist. Dieser ist dann verpflichtet alle Personen zu laden, die als Erben in Betracht kommen. Soweit er nicht alle als Erben in Betracht kommenden Personen lädt, kann sein Beschluss über die Erbauseinandersetzung dennoch rechtskräftig werden, falls die gesetzlich vorgesehenen Widerspruchsfristen nicht eingehalten werden. Die Widerspruchsfrist bei Beschlüssen über die Erbfolge beträgt acht Tage nach rechtswirksamer Zustellung an alle Parteien des Verfahrens. Falls der öffentlich bestellte Notar einen der Erben vergisst, kann dieser nachträglich Widerspruch gegen den Beschluss über die Erbfolgte einlegen.

Eine häufig auftretende Fragestellung in der Arbeit unserer Kanzlei ist die nach dem anzuwendenden Recht in Familienangelegenheiten. Diese Frage stellt sich deswegen, weil kroatische Staatsbürger zunehmend unterschiedliche rechtliche Beziehungen eingehen, die andere Rechtssysteme außerhalb Kroatiens berühren. Schon allein die Tatsache, dass kroatische Staatsbürger in der Bundesrepublik Deutschland leben, stellt einen intensiven Bezug zum deutschen Rechtssystem und den deutschen Regelungen her, beispielsweise im Bereich des Familienrechts. Ein solcher Bezug kann sich aber auch in anderen Konstellationen ergeben, z.B. wenn ein kroatischer und ein deutscher Staatsbürger in Kroatien heiraten oder zwei kroatische Staatsbürger in Deutschland heiraten, ein Kind aus einer solchen Ehe in Deutschland geboren wird oder die Familie zum Teil in Kroatien und zum Teil in Deutschland lebt. Das ist nur ein kleiner Auszug möglicher Situationen, denen jedoch allesamt die gleiche Frage zugrunde liegt, wenn familienrechtliche Fragen gelöst werden sollen, sei es außergerichtlich, sei es vor Gericht oder vor staatlichen Behörden: Welches Recht findet hierbei Anwendung, das kroatische oder das deutsche Recht?

Für solche Fälle privatrechtlicher Beziehungen, in denen rechtliche Regelungen zweier oder mehr Staate gelten könnten, gibt es sowohl in der Bundesrepublik Deutschland wie auch in der Republik Kroatien Rechtsanwendungs- und Rechtskollisionsregelungen, die klarstellen, wie das anwendbare Recht bestimmt werden soll. Diese Regelungen sind in der Bundesrepublik Deutschland als Internationales Privatrecht im Rahmen des Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB), in der Republik Kroatien im Rahmen des Gesetzes zur Lösung von Gesetzeskollisionen mit den Vorschriften anderer Staaten für bestimmte Verhältnisse (Gesetzeskollisionsgesetz – GKolG) enthalten. Dabei unterscheiden das kroatische GKolG wie auch das deutsche EGBGB nach verschiedenen Rechtsbereichen, für die sie unterschiedliche Rechtsanwendungs- und Kollisionsregeln bereitstellen. Ein solcher Rechtsbereich ist unter anderem das Familienrecht, das in Deutschland in den §§ 13 bis 24 EGBGB geregelt ist und in Kroatien in den §§ 15 sowie 32 bis 45 GKolG. Quer zur Unterscheidung nach Rechtsbereichen können die deutschen und kroatischen Regelungen noch nach materiellem Recht (Sachregelungen) und formellem Recht (Zuständigkeits- Verfahrens- und Formregelungen), so dass bei einem sich für den Außenstehenden einheitlich darstellenden Vorgang durchaus deutsches und kroatisches Recht gleichzeitig Anwendung finden können.
Nach kroatischem Recht ergeben sich die persönlichen Voraussetzungen für die Eheschließung nach dem Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit eine Person bei der Eheschließung besitzt (Art. 32 GKolG). Eine ebensolche Regelung besteht auch in Deutschland (Art. 14 Abs. 1 EGBGB). Daher müssen bei der Eheschließung zwischen einer Kroatin und einem Deutschen für die Kroatin die kroatischen Voraussetzungen und für den Deutschen die deutschen Eheschließungsvoraussetzungen vorliegen; allerdings dürfen bei Eheschließungen in Kroatien auch für den Deutschen keine Ehehindernisse nach kroatischem Recht vorliegen. Die Form der Eheschließung richtet sich dann jedoch nach den Regeln des Ortes, in dem die Ehe geschlossen werden soll. Dass sehen sowohl das kroatische (Art. 33 GKolG), wie auch das deutsche Recht (Art. 13 Abs. 3 S. 1 EGBGB) vor.
Hinsichtlich der Frage, nach welchem Recht sich die Ehewirkungen – insbesondere Auswirkungen die Eheschließung auf die Eheleute und deren Vermögen – bestimmen, bieten sowohl das GKolG wie auch das EGBGB eine gestufte Abfolge des anzuwendenden Rechts an. Das EGBGB orientiert sich primär an der Staatsangehörigkeit beider Eheleute, ersatzweise an ihrem gewöhnlichen Aufenthalt und hilfsweise an ihrer engsten gemeinsamen Beziehung zu einer Rechtsordnung (Art. 14 Abs. 1 EGBGB). Das GKolG orientiert sich ebenfalls primär an der Staatsangehörigkeit beider Eheleute, ersatzweise jedoch am Wohnsitz, weiter ersatzweise am letzten gemeinesamen Wohnsitz und hilfsweise am Recht der Republik Kroatien (Art. 36 S. 1 GKolG). Anders als das GKolG eröffnet jedoch das EGBGB unter bestimmten Voraussetzungen auch die Möglichkeit einer Rechtswahl des auf die Ehewirkungen anzuwendenden Rechts. Wenn beide Eheleute eine unterschiedliche Staatsangehörigkeit haben und z.B. keiner die Staatsangehörigkeit des Landes hat, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben (Art. 14 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 EGBGB), können sie unter Einhaltung bestimmter formaler Voraussetzungen über das Recht entscheiden, das für ihre Ehe gelten soll. So können z.B. bosnische und kroatische Staatsbürger, die in Deutschland leben, bestimmen, ob sie bosnisches oder kroatisches Recht für ihre Ehe gelten lassen wollen. Diese Rechtswahl muss in Deutschland notariell beurkundet werden (Art. 14 Abs. 4 EGBGB) und ihre Wirkung endet, sobald beide Eheleute wieder die gleiche Staatsangehörigkeit erlangen (Art. 14 Abs. 3 S. 2 EGBGB). Auch ist die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit im EGBGB intensiver, als im GKolG. Bei einem Wechsel der Staatsbürgerschaft, wenn zum Beispiel bei in Deutschland lebenden kroatischen Ehegatten einer die Staatsbürgerschaft wechselt, gilt nach dem EGBGB weiterhin zunächst für beide das kroatische Recht, weil beide zuletzt kroatische Staatsbürger waren und einer dies immer noch ist (Vgl. Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB). Demgegenüber würde das GKolG die Anwendung deutschen Rechts vorschreiben, da nicht beide Eheleute kroatische Staatsangehörige sind, jedoch ihren Wohnsitz in Deutschland haben (Vgl. Art. 36 S. 2 GKolG).
Eine unterschiedliche Rechtsanwendung zeigt sich auch im Falle der Ehescheidung. Nach dem GKolG ist auf die Ehescheidung primär das Recht des Staates anzuwenden ist, dessen Staatsangehörigkeit beide Ehegatten zum Zeitpunkt der Einreichung der Scheidungsklage haben, sekundär bei gemischten Staatsangehörigkeiten das Recht beider Staaten kumulativ und ersatzweise gilt das kroatische Recht (Art. 35 Abs. 1 GKolG). Gemäß dem EGBGB ist jedoch das Recht des Staates anzuwenden, nach dem sich im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags die allgemeinen Ehewirkungen richten (Art. 17 Abs. 1 S. 1 EGBGB). Ersatzweise gilt das deutsche Recht, wenn ein Ehegatte deutscher Staatsbürger ist oder im Zeitpunkt der Eheschließung war und die Ehe ansonsten nicht geschieden werden kann (Art. 17 Abs. 1 S. 2 EGBGB). Dies kann bei Eheleuten mit gemischten Staatsangehörigkeiten und Wohnsitz in Deutschland bedeuten, dass diese bei Scheidungsanträgen vor deutschen Organen nach deutschem Scheidungsrecht behandelt werden, während sie bei Scheidungsanträgen vor kroatischen Organen kumulativ nach deutschem und kroatischem Scheidungsrecht behandelt werden. Auch dies verdeutlicht die Komplexität, die insbesondere bei familienrechtlichen Fragen mit internationalen Zusammenhängen, auftreten kann.
Zugleich kann diese Komplexität aber auch Vorteile bieten, da sich die Eheleute zum Teil aussuchen können, nach welchem Recht sie ihr Eheverhältnis behandelt sehen möchten. Sie können z.B. so im Vorfeld entscheiden, welches Gericht sie anrufen möchten. Das wiederum kann Vorteile bei der Umsetzung des gesamten gerichtlichen Verfahrens mit sich bringen. Wenn die Eheleute nämlich entscheiden können welches Gericht sie anrufen möchten, können sie dasjenige wählen, das ihrem Anliegen am effektivsten gerecht wird. So können sie insbesondere vermeiden, dass es zu Problemen und Verzögerungen kommt, die mit der Aufspaltung von Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren entstehen können.